top of page

Quelle, Dill und Zuckerschote - Ausflug zu den Gärten der Welt

Aktualisiert: 18. Juli 2021

Ausflugstherapie: Entspannen und Beleben

Ein recreationaler Ansatz der Kunsttherapie mit Bewohner*innen eines Demenzbereiches (Wernicke-Korsakow-Syndrom)

Forschungsstand: 18.07.2021



"Die wahre Kunst: Erwarte nichts und schätze alles."


Seit geraumer Zeit erkunde ich ein neues Feld der Kunsttherapie: Die recreationale Ausflugstherapie. Das mag erstmal nach Urlaub und Erholung für alle Beteiligten klingen, ist aber konzeptionell durchdacht, wohlgeplant, mit so einigen Anstrengungen verbunden und ein kulturelles und emotionales Abenteuer.


Nach einem Ausflug sind wir alle sehr erfüllt. Es ist ein sinnliches und auch sinnreiches Erlebnis, was verdaut werden will. Daher ist Entspannung und Müßiggang danach wesentlich. Auch ich übe mich danach in Muße, ruhe aus, lasse sacken und mache mir klar, was ich eigentlich erleben durfte. Es ist üppig und will auch erstmal begriffen werden.


Die Ausflugstherapie, wie wir sie gerade umsetzen und dann erforschen, findet mit mind. zwei Therapeut*innen statt. In unserem Fall mit unserem engagierten und begeisterungsfähigen Arbeitstherapeuten (der auch manchmal in der Pflege einspringt), der die Bewohner, teilweise schon sehr lange und gut kennt und mir, einer Kunsttherapeutin, die die Musen und die Muße liebt.


Gute Voraussetzungen, um unseren Bewohner*innen eines Demenzbereiches, mit Fokus Wernicke-Korsakow-Syndrom, neue Türen und damit neue Möglichkeiten und einen Perspektivwechsel, v.a. räumlich, zu ermöglichen.

Unsere Bewohner*innen sind coronabedingt über ein Jahr nicht wirklich raus gekommen. Sie bewegten sich zumeist in ihrer Etage, seltener im Hause oder gar in der näheren Umgebung. Der Gang vom Zimmer zum Aufenthaltsraum zum Balkon, um zu Rauchen, ist Routine. Tagtäglich das gleiche Ritual. Sie halten sich so stabil, Rauchen mitsamt Ganglauf beruhigen. Es wird zumeist wohlwollend gesmalltalkt bzw. man chillt. Das hat man zuhause auch so gemacht. Routinen wie auch Rituale beruhigen das aufgeheizte Gemüt. Ich mache mit meinen mir anvertrauten Bewohner*innen die Erfahrung, dass es oft sehr sensible und oftmals philosophisch veranlagte Menschen sind. Das Leben hat ihnen, oftmals schon von Kindesbeinen an, übel mitgespielt und ihre Lebensgeschichten, gerade die mit einer soziokulturellen Ost-Thematik, rühren an. Alkohol war ein adäquates Mittel der Wahl, eine Art Medikation, um den Alltag zu verkraften und ein wenig abschalten zu können.


Für unsere Ausflugs-Idee, in die Gärten der Welt in Marzahn-Hellersdorf zu fahren, können diesmal konzipiert nur die mit, die offen für neue Eindrücke sind, sie verarbeiten und ihnen einen Genuss abgewinnen können. Zudem müssen sie eine gute Strecke laufen können - ca. einen Kilometer. Polyneuropatisch eingeschränkt sind fast alle und ich gebe stets klare Hilfestellung beim Ein-und Aussteigen in den Bus. Günstig ist es auch, ein Betrag Taschengeld mitnehmen zu können für den Eintritt und einen Schwerbehindertenausweis, falls vorhanden. Das Geld-Thema spielt leider für einige Bewohner*innen eine Rolle und für umfangreichere Kulturausflüge müssen wir noch wohlwollende Mäzene finden. Vielleicht tun sich ja Kulturtöpfe auf für unsere besonderen "Therapeutischen Tätigkeiten im Außenbereich".


Allein eine Gruppe von sechs Bewohner*innen zusammenzubekommen, erweist sich als spannendes und leicht unberechenbares Unterfangen: Sie können sich manchmal nicht erinnern, dass sie zum Ausflug vor einem Tag zugesagt haben und manchmal leiden sie unter Stimmungsschwankungen oder ihnen ist nicht (mehr) danach. Viel sanft freundlich-inspirierende Überzeugungsarbeit hilft, die alten Muster, für einen Moment, zu unterbrechen. Die Muster sind bekannt und eingeübt. Alles Neue macht auch erstmal Angst und konfrontiert sie mit ihrer Realität des auch Nicht-mehr-Könnens, wie es früher noch ging.

Ich habe seit geraumer Zeit das Glück, mit einer kleinen festen Gruppe von Bewohner*innen, kunsttherapeutisch zusammenarbeiten zu dürfen. Auch sie leiden bisweilen unter scheinbar willkürlichen Stimmungsschwankungen, alte Erinnerungen und damit Gefühle (oftmals Schuld, Scham und auch Wut-Gefühle und damit manchmal Überforderung) lassen sie manchmal der Kunsttherapie fern bleiben. Doch insgesamt kommen sie recht gerne, weil es bisweilen lustig und mußig zugeht, wir viel miteinander lachen über die Lebenskomik und oftmals spielerisch in philosophische Tiefen gelangen. Vor allem ihre Assoziationsfähigkeit und große Phantasietätigkeit sind erstaunlich: Sie malen, zeichnen, schreiben einfach los und sie reden gerne über ihre Arbeiten.

Die Gärten der Welt sollten es sein. Wir fragten schon bald nach dem ersten Ausstellungsbesuch in der schinkelschen Elisabeth-Kirche am 14.05.2021 ("The cast whale project by Gil Shachar" - Artikel "Der Buckelwal und ich") - siehe Link zum Artikel

nach weiteren Ausflugs-Wünschen. Architektur(en) wurden genannt und ebenso Natur(en), flora und fauna mit dem Beispiel der Gärten der Welt. Da unser Arbeitstherapeut die Gärten der Welt wie seine Westentasche kennt, kreierten wir zusammen einen besonderen Ausflug: Zwei Gärten sollten es sein, der Orientalische Garten und der Englische Garten - ein Vergleich der Kulturen.

Da ich die Gärten der Welt noch nicht kannte, besuchte ich sie im Vorfeld und überlegte, welche Route mit welchen Inhalten und spielerischen Übungen geeignet wäre. Was mich erwartete war überwältigender, als ich dachte: ich bekam erstmal von den Möglichkeiten der zahlreichen Räume mit Kunst und Kulturen einen Einblick und bin immer noch erstaunt, wie üppig schön und liebevoll alles dort angelegt ist. Ich kaufte mir sodann zwei Bücher über die Gärten und ließ mich erstmal selbst inspirieren.

Denn das, was zuallererst auf Menschen wirkt, ist die Inspiration, die Begeisterung und die Freude, sprich: positive Gefühle, wenn ein Funken überspringt. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Denn Freude ist das, was ansteckt und was immer mehr werden kann (wenn man es zulassen kann).

Und da ich aus dem Bereich Museum und der Idee des Musentempels (Museion) komme, suche ich mich zuallererst in dem vielen der vielgestaltigen Eindrücke. Und ich fand vieles, was mein Herz erfreut.


Schon die Busfahrt macht Freude. Jeder Moment zählt und will zelebriert werden. Das Wetter klarte immer mehr auf und wir bekamen durch unseren Arbeitstherapeuten köstliche Ost-Perspektiven serviert. Zudem fuhren wir in das alte Viertel um die Marzahner Bockwindmühle mitsamt Eseln und Ponys, sahen eine Dorfkirche, ein uriges Gasthaus und einen alteingesessenen Fleischer und erfuhren Geschichten, wie es früher, zur DDR-Zeit und früher, hier zuging.


Der Hauptfokus sollte auf dem besonderen und individuellen Erleben mit allen fünf Sinnen liegen. Mit genussvoll inszenierten Perspektiven und Sichtachsen, auch Freiräumen und Muße bzw. Chillen (Raucherpausen). Meiner Erfahrung nach, mit den mir anvertrauten Menschen, ist es wesentlich, Überforderung durch ein eigenes Zuviel wollen, Leistungsdruck oder allzu hohem therapeutischem Anspruch, der zumeist eher abschreckt als er nützt, zu vermeiden. Die der fünf Sinne und des Sinnfindens in Allem, ein Anregen und Eintauchenlassen reicht für einen genussvollen Moment aus. Jede*r in seinem/ihren Rhythmus. Empathie und Mitgefühl mit den Menschen in ihren Möglichkeiten.


Ich bin vielfältig vorbereitet. Ich kann es noch nicht genau einschätzen, was mit wem wann wie methodisch und inhaltlich gehen kann. In der Ausstellung mit dem Buckelwal hatten wir vorbereitete Fragen für einen gelenkten Blick wie ein Geländer. Sowas hatte ich wieder vorbereitet - offene Fragen auf Papier mit Klemmbrett und Stift. Mit der Möglichkeit zu schreiben und zu zeichnen.


Wir parkten am Hintereingang, nahe den ausgesuchten Gärten und auch Toiletten. Und blieben zuerst zu einem Willkommen und einer kleinen Einführung vor der Übersichtstafel des Gartenareals stehen. Mein Kollege hat seinen besonderen Blick auf die Dinge - praktisch, gartentechnisch, handwerklich, kulturinteressiert, vielfältig bewandert und humorvoll - ich meinen: kunstgeschichtlich, poetisch-musisch, von den Phänomenen her begeistert, achtsamkeitsorientiert und auch humorvoll. Eine gute Mischung der Blicke. Und in Resonanz. Wesentlich zur Coronazeit sind die Masken. Ich hatte zum Glück welche dabei - sie gehen unseren Bewohner*innen gerne schnell verloren und wollen für öffentliche Innen-Räume oder Eingangs-Schleusen mitbedacht sein.


Der Orientalische Garten


"Wer sich selbst und andre kennt,

Wird auch hier erkennen:

Orient und Okzident

Sind nicht mehr zu trennen."

- Johann Wolfgang von Goethe


Wir gingen an der Gartenmauer entlang. Wir blieben stehen und ich lenkte den Blick zuerst auf unsere fünf Sinne - Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken - dann auf die Besonderheiten an der Garten-Mauer: dass es sich überhaupt um einen Garten mit einer hohen Ummauerung handelt - die Farben und die Formen. Mittels Fragen, um den geistvollen Blick lenken zu können. Das mir Schönste, sind die eigenen Fragen, die sich entwickeln und geäußert werden: sie zeugen von einem inspiriertem Mitgehen und Mitdenken.


Wir gingen langsam, fast bedächtig. Ein wenig wie eine Gehmeditation aus der Achtsamkeitspraxis. Um mehr mitbekommen zu können. Es ergab sich so. Es kam natürlich und tut Allen gut. Eigentlich die beste Fortbewegungsart, um sich lebendig in Welt zu bewegen: wir bekommen auf diese Art mehr von uns und auch vom Neuen, Fremden, mit. Vermeiden einen "Jetlag" und kommen mit dem mit, was gerade mit uns im Raum geschieht.


Kurz vor dem Garten-Eingang hielten wir wieder inne. Wesentlich zu wissen ist, wo Raucherinseln und Toiletten sind. Das entspannt enorm. Unsere Bewohner*innen sind zumeist starke Raucher*innen und der Chill-Aspekt ist dabei wesentlich.


Saal der Empfänge

Jeden Raum bewusst wahrnehmen mit allen Sinnen (soweit es mit Maske in Innenräumen geht). Gerade im Eingangssaal zum Orientalischen Garten gibt es Zedernholzschnitzarbeiten zu bestaunen und zu beschnuppern. Fragen, ob die Schnitzarbeiten alt seien. Und eine Licht-Kuppel in der Mitte des Raumes, ebenso eine Wandelhalle, wie wir sie ähnlich als Wandelgarten bereits vor der Schinkelkirche gesehen hatten. Immer wieder zusammenkommen und gemeinsam Innehalten um eine Sichtachse zu betrachten.

Und hindurch durch den Torbogen rechterhand zum Garten einer Paradiesvorstellung.

Im Koran wird das Paradies, ausführlicher als in der Bibel, wie vier umschlossene Gärten, beschrieben. Da die Eindrücke so sinnlich ansprechen und alle bei der Sache sind, halte ich im Innenhof, wieder in der Gruppe, inne und spreche eine Einladung aus, alleine 15 Minuten den Garten zu erkunden. Einen Ort oder Wesenheit einer Pflanze zu finden, die für heute besonders gefällt. Ein Bewohner geht allein seines Weges und mein Kollege beruhigt mich, dass dieser Bewohner auch wieder zu uns stoßen oder auch zur Residenz finden wird. Ich bin so froh, dass er sie so gut kennt. Ich wäre sonst im Quadrat gesprungen.

Ich gehe umher, fange mit meiner Kamera Eindrücke ein. Nach 15 Minuten finden wir zuerst an der rauschend überfließenden Quelle zusammen, um sodann wieder gen Eingang, für einen sammelnden Eindruck, zu gehen.



Was wirkt? Was wird hängenbleiben? ...

Die eindrückliche und hoffentlich emotional vielgestaltig positive Wirkung auf die Bewohner*innen ist das Wesentlichste unserer Ausflugstherapie. Nicht unser Wollen, sondern ihre Freude und Begeisterung. Vielleicht bleibt etwas an emotionalem Eindruck bei Ihnen hängen. Das wollen wir erforschen. Vielleicht ist es lediglich der genussvolle Moment, die strahlenden Augen oder auch ein Eindruck, der in das Langzeitgedächtnis übergehen kann.

Von fünf Bewohner*innen versuchen vier eine Antwort auf die Fragen, was sie am meisten beeindruckt hat und wie es ihnen gerade damit geht.


Das Herzstück

Eine Bewohnerin, die schon in der Buckelwal-Ausstellung ihren besonderen Tuchfühlungs-Moment mit dem Tier-Objekt erleben konnte, ist sehr dankbar. Ihre Augen strahlen. Sie erzählt, dass ihr alles gefalle. Das Ganze als sinnliches Erleben, die herrlichen Blumen, die rauschenden Ströme und Quellen - der Paradiesgarten wirkt. Sie bemerkt auch, dass der Starkregen vorgestern den Blumen, den Teerosen und damit dem Garten sehr zugesetzt habe. Vieles hängt erschöpft vom vielen Nass und manches hat nicht überdauert. Gärtner*innenarbeit ist gefragt. Ein sensibler Kenner*innenblick.


Das Bauwerk selbst, die Ummauerung in ihren Farben und Formen, die besondere Handwerkskunst in Marmor und Mosaik, beeindruckt einen anderen Bewohner. Er ist ein freundlicher Geselle, der gerne mal "Auf alle Fälle" sagt und gerne mit dabei ist. Manchmal lacht er so schelmisch, dass man sich seinem Schelmdasein nicht entziehen kann.


In der Hand einer weiteren Bewohnerin mit einem der mitreissensten Lachen, das ich kenne, befinden sich eine abgefallene Lilie und andere Blätter, die sie vom Boden aufgelesen hat. Sie zeigt es verhalten stolz. Es ist ihr kleiner Schatz. Das Anfassen dürfen der Pflanzen und die Auflese der abgefallenen Pflanzenteile tun ihr gut. Sie spürt sie und sie darf sie mit nachhause in die Residenz nehmen. Ein Stück des Paradieses in ihrer Hand.


Am anrührendsten ist ein Bewohner, der uns berichtet, dass er versuche, bei sich selbst anzukommen. Er hat eine vornehme Art. Lange war er nicht wirklich draußen - sah die letzten Monate lediglich die Etage und den immergleichen Weg vom Zimmer zum Balkon. Er ist dennoch da und spricht davon, dass er sich erstmal zurechtfinden will. Ist dabei freundlich zugewandt und nimmt auch Anregungen an. Die gelben Teerosen duften herrlich. Ich rege eine Duftprobe an und diesem Bewohner helfe ich über die Stufe, damit er sicher die Rose mit seiner Nase erreicht. Er riecht, er versucht es. Er kann nicht viel riechen, sagt er. Nur eine Ahnung. Dennoch ist er da und versucht es. Macht einfach bei Allem mit, so gut er gerade kann. Ich versuche ihn besonders im liebevollen Blick zu haben.

Ich äußere noch ein paar Gedanken zu den umlaufenden Kalligraphiesprüchen (die Gartengedichte, von persischen Dichtern, beschreiben) und zu den vier Strömen des Paradies-Gartens - Wasser, Wein, Milch und Honig. Langsam verabschieden wir uns wieder von dem kleinen Paradies, in dem Milch und Honig für uns fließen. Im Saal der Empfänge bitte ich, wegen des herrlich einfallenden Lichtes, zum poetischen Gruppenbild mit Masken. Umd sodann gen Englischen Garten zu starten.



Der Englische Garten


"You have bewitched me, body & soul and I love I love I love you."

- Mr. Darcy to Elizabeth Bennet


Tatsächlich sind wir alle, ob der üppigen Eindrücke, ein wenig erschöpft. Es geht uns allen gut. Alle können und wollen noch. Der Englische Garten empfängt uns mit der Gartenarbeit, die wir uns auch für den Orientalischen wünschen. Eine Bewohnerin fängt ein Gespräch mit der Gärtnerin an und bekommt samten zart behaarte Zuckerschoten geschenkt. Stolz zeigt sie uns ihren Schatz. Hier übernimmt der Kollege. Ich lenke immer mal mit ein. Es geht Hand in Hand. Der Englische hat es ihm besonders angetan. Der Englische tut ja sehr natürlich, ist aber höchste Meisterschaft. Der Rasen darf nur Mindestlänge haben und Rosen werden von Engländern, wegen ihres herrlichen Duftes, in langer Tradition gezüchtet. Eine Rosenlaube lädt uns wieder zum Beschnuppern ein. Ein herrliches Fleckchen Erde á la John Constable und Jane Austen. Hier würde ich auch gerne leben, Elizabeth Bennet wie aus Austens "Stolz und Vorurteil" heißen, um des Morgens von Mr. Darcy, voller Anmut, umworben zu werden. Da geht doch glatt meine Phantasie mit mir durch.



Der Küchengarten betört unsere olfaktorischen und v.a. gustatorischen Sinne. Mir hat es besonders der große Dillstrauch angetan, der mich an Neuronen in unserem Gehirn erinnert. Ich zupfe etwas davon ab und gebe es den Bewohnern zu kosten. Aber auch Bärlauch, Liebstöckel, Minze und andere Köstlichkeiten finden wir hier. Obstbäume werden an den Mauern entlanggepflanzt, damit sie mehr Wärme abbekommen. Alles so gepflegt und lieblich. Eigentlich ganz und gar unglaublich. Langsam geht es wieder zurück gen Ausgang. Einen Augenblick noch auf einer Bank chillend und in Muße ein wenig von der Zigarette. Ich suche mir einen Stuhl, den ich frei stehend in der Landschaft finde. Dann gibt es am Bus liebevoll gepackte Lunch-Pakete. Ein Bewohner entdeckt einen gut versteckten Yedi-Spruch aus Star Wars: "Möge die Macht mit uns sein." Ein guter Wunsch und Segen.


Muße mit Lunch

Ich muss zugeben, dass das gemeinsame Lunchen mich fast am meisten begeistert hat. Nach all den Vorbereitungen, den Sorgen um den verschwundenen Bewohner (der nun wieder aufgetaucht ist und mein Kollege recht behalten hat), den üppigen Sinnen-Eindrücken, tut liebevoll geschmiertes Brot, Banane, Erdbeeren, Melone und Milchschnitte mit Saft und Wasser, mehr als gut. Wir sind alle heiter und für mich wirkt es so, als wäre in diesem besonderen Augenblick vieles gut.

Mir kommt der Satz, den ich so mag und der so einfach ist:


"Was ist eigentlich, wenn es gut ist?"


Nun, dann ist es gut.

Einfach gut.

Weil es gut ist.

Ich glaube, dass genau das das Ziel von Allem sein sollte.

Die Gartengestalter haben ihr Ziel, zu einem neuen Miteinander der Kulturen zu kommen, zumindest mit uns, erreicht.



Weiterführende Gedanken und Ideen



In der Residenz arbeiten wir weiter am Thema "Gärten" wie an einem Faden durch's Labyrinth des Minotauros mit dem Faden der Ariadne. Da ein Bewohner, quasi aus Versehen und weil ihm nichts anderes einfiel (so sagt er), Bäume gezeichnet hat, habe ich mir als cinematherapeutisches Moment den Film "Das Geheimnis der Bäume" von Luc Jacquet ausgeguckt.


Und ich habe die Digitalbilder vom Ausflug wieder bunt ausgedruckt: In verschiedenen Formaten. Klein, um die Bilder ins Projekt-Heft kleben zu können, größer, um eine schöne Erinnerung als Geschenk für die Bewohner*innen zu haben und noch größer (DIN4 und DIN5), um vielleicht eine Ausstellung daraus zu gestalten. Es gibt ja schon zwei Ausflüge und schöne Impressionen, die gezeigt werden wollen und es werden mehr folgen.


Das Einpflegen der kleineren ausgedruckten Ausflugsbilder mögen die Bewohner*innen sehr. Ein Bewonher hat sein erstes Projekt-Heft schon fertig gestaltet - mit Zeichnungen, Gedanken und eingeklebten Erinnerungsbildern. Er zeigte es stolz und bekam ein zweites von mir übberreicht. Er findet es auch immer wieder, was auch ganz besonders ist. Er ist gut organisiert. Auch das ist ein echter Erfolg und Erfolge, ein Gelingen, will gefeiert sein.

Eine andere Bewohnerin hat auch, nach längerer Zeit des Nicht-finden-könnens, ihr rotes Projekt-Heft, in ihren Unterlagen, gefunden (was oftmals auch unter Mithilfe des Pflegepersonals und SKD-Dienstes geschieht). Sie kam aktiv auf mich zu, zeigte es mir voller Freude und sagte, sie wolle ersteinmal die Bilder von der Wal-Ausstellung ("The cast whale project" by Gil Shachar, Schinkelkirche) einkleben, sodann vom Gärten-Ausflug. Das aktiv motivierte Moment dabei ist das Wesentliche: es geht nicht von mir aus, sondern kommt aus ihrem Wunsch und Willen.



Arbeit mit Bildkarten - was ist vom Ausflug hängengeblieben?


Jede*r Bewohner*in darf sich aus zwei Bildkarten-Sets, zum vergangenen Ausflug (am Freitag davor, nun an einem Montag danach) Bilder als Erinnerungsstütze, aussuchen.


Ich frage, was sie mit den Bildern verbinden:

Ein Bewohner wählt zuerst Berge, dann auch Zahnräder. Er hat die Karten intuitiv gewählt. So recht kann er nicht erklären, was er damit verbindet. Im Verbund vermuten wir, er fühlte sich wohl (geliebte Berge) und alles wirkte wie Zahnräder ineinander. Damit konnte er gut umgehen.

Rosenblüten aus beiden Kartendecks wählt eine nächste. Sie sammelte auch abgefallene Blüten und Blätter. Das Haptische und Orfaktorische der Sensorik blieb ihr gut im Gedächtnis. Auf nachfrage, ob sie ihre gesammelten "Schätze" noch hätte, bejahte sie. Sie ging dann los, um sie zu suchen, konnte sie aber nicht finden.

Ein weiterer Bewohner, der für kurze Zeit seiner eigenen Wege ging, wählte einen Leuchtturm (Begriff: Orientierung) und einen Irrgarten. Der Leuchtturm ist für ihn selbst ein gutes Sinnbild. Mit der Orientierung selbst habe er weniger Probleme. Er hätte "Spürhund-Qualitäten". Er komme stets auf alle Fälle wieder, da er über Jahre dazu seine eigenen Strategien entwickelt habe. Den Irrgarten assoziert er mit Garten, den Baum des Lebens, Flussläufe, Romantik im Regen und landet schließlich in der schönen Spreewaldlandschaft (an die das Stück Gärten der Welt, die wir gesehen haben, auch erinnert).

Die Berglandschaft wählte auch eine weitere Bewohnerin. Die Berge stehen für sie für Nachdenklichkeit. Sie erlebt(e) sich nachdenklich traurig und auch motiviert weiterzumachen. Sie schildert eine Strategie, die ihr mal von einem Psychiater empfohlen wurde: "Zieh' Dich an und geh' raus - bleibe nicht in geschlossenen Räumen. Betrachte Menschen an Orten. Schau' ihn einfach nur zu. Es beruhigt Seele und Herz". Gleiches hätte auch der Bewohner mit dem Leuchtturm erlebt. Hier gehen beide in Resonanz. Negatives könne so in Positives verwandelt werden. Es gehe nur darum, den inneren Schweinehund zu überwinden.


Natur und Naturbetrachtung hat das Zeug, uns mehr in Gelassenheit sein zu lassen.



Cinematherapie: Vertiefung der Thematik durch einen Film

"Das Geheimnis der Bäume" von Luc Jacquet über das Wesen des Urwaldes, aus der Sicht des Botanikers Francis Hallé


Noch ist das gemeinsame Filmschauen abenteuergleich. Wer schafft es wann wie und mit wem, die erste Etage zu unserem Besprechungsraum, umfunktioniert zu einem kleinen Filmraum, zu finden. Zudem brauche ich noch Hilfe bei der Technik. Aber es wird langsam. Die Bewohner*innen, die es dann doch geschafft haben, immerhin vier, bekommen von mir geflückte Pflaumen, eine kleine Einführung und eine Frage mitsamt Blatt und Stift: Wie kommunizieren eigentlich Bäume?

So gut jede*r kann wird mitgedacht und mitgeschrieben. Es ist schon mal auf den ersten Blick interessant und aufschlußreich zu sehen, wer sich an den Inhalten Filmes orientiert und wer Informationen aus seinem Inneren schöpft. Zwei probate Wege zu Wissen zu kommen. Ich muss gestehen, dass auch ich so (Natur-)Filme besser verstehen kann. Man schaut und hört aufmerksamer hin und bekommt mehr mit.


Weitere Auswertung folgt (Stand: 18.07.2021).









203 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Der kleine Stern

bottom of page